Medial konstruierte Stimmen (2020)

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17.02.2020
Medial konstruierte Stimmen (2020)

Kulturelle Implikationen medial konstruierter Stimmen

Jun.-Prof. Dr. Marcus Erbe (Universität zu Köln), Aycha Riffi (Grimme-Institut), Wolfgang Zielinski (Grimme-Institut)

Laufzeit: Januar 2020 bis Dezember 2020

Ziel des Projekts war die systematische Untersuchung medial zirkulierender Stimmentwürfe unter der leitenden Fragestellung, welche Sozialvorstellungen – z.B. von Angemessenheit, Autorität und Handlungsmacht – medial konstruierten Vokalitäten zugrunde liegen bzw. sich in ihnen ausdrücken.

Seit der Einführung stimmbasierter Navigationsgeräte um das Jahr 2000 ist es zunehmend selbstverständlich geworden, dass digitale Apparate sich anhand menschlich klingender Stimmen mitteilen. Zwar datieren die Anfänge der elektronischen Stimmsynthese in die späten 1930er-Jahre. Dennoch war es vor der allgemeinen Verfügbarkeit „sprechender“ Navis, Computer und Smartphones hauptsächlich das Privileg phantastischer Filme, Hörspiele und Fernsehserien, den Mediennutzer*innen eine Vorstellung von der Beschaffenheit künstlicher Stimmen zu vermitteln.
Doch so wenig medial konstruierte Stimmen in fiktionalen Kontexten neutral sein können, so wenig neutral präsentieren sich die Stimmen rezenter Applikationen und Betriebssysteme. Dies zeigt sich etwa in der aktuell geführten Debatte um den inhärenten Sexismus bei Sprachassistenzsystemen wie Siri, Cortana und Alexa. Indes mangelt es an Untersuchungen, die zugleich intersektionale, kulturübergreifende und medienpraktische Aspekte vokaler Designs berücksichtigen, und zwar nicht nur im Hinblick auf IT-Erzeugnisse, sondern auf die Medienproduktion ganz allgemein.

Um diesem Desiderat begegnen zu können, erfolgte in einem ersten Schritt eine Bestandsaufnahme zur Thematik mittels Sekundärforschung (Desk Research). Erschlossen und ausgewertet wurden Quellen aus den Bereichen Forschung (z.B. Stimmwahrnehmung, Sprachsynthese, Anthropomorphisierung, Diskriminierungseffekte durch Voice-Design), Entwicklung, Medienproduktion (stimmliche Entwürfe in Radio, Film, Fernsehen, Games und Musik) sowie öffentliche Berichterstattung. Diese Vorarbeiten dienten der inhaltlich strukturierten Konzeption eines ganztägigen digitalen Workshops, an dem sich Vertreter*innen aus Computerlinguistik, Musikwissenschaft, Theaterwissenschaft, Filmwissenschaft und Voice-Design gemeinsam mit Rundfunkredakteur*innen, Medienautor*innen, Schauspieler*innen und Kommunikationsberater*innen beteiligten.

Teilgenommen haben: Prof. Dr. Oksana Bulgakowa (em.) (Johannes Gutenberg-Universität Mainz), Dr. Laura Dreessen (Vui.agency), Friedemann Dupelius M.A. (Universität zu Köln), Tim Kahle (169 Labs), Malte Kobel M.A. (Kingston University London), Jan-Niklas Leroi (Schauspieler und Sprecher), Stefanie Ray (Autorin und Voice Content Creator), Colleen Sanders (Radio Lippewelle Hamm), Jun.-Prof. Dr. Jenny Schrödl (Freie Universität Berlin), Nadia Zaboura (Zaboura Consulting), sowie das Projektteam.
Diskutiert wurde über die Stimme als Kulturphänomen, ihre Gestaltung im Kontext von Bewegtbildmedien, die Signifikanz „körperloser“ Stimmen im Radio, die Stimme in der MenschComputer-Interaktion sowie über technische Stimmen in Musik, Theater und Performancekunst. In Ausweitung dieses Diskurses entsteht aktuell eine Publikation mit internationalen Beiträgen aus Forschung und Medienpraxis. Sie wird 2021 als Band 7 der Schriftenreihe Digitale Gesellschaft NRW erscheinen.

Gemäß dem Gedanken einer Vermittlung zwischen kulturwissenschaftlichen Erwägungen und medienpraktischem Tun sollten mit dem Projekt Akteur*innen aus Forschung und Lehre, medienpädagogischer Praxis, Entwicklung (Wirtschaft, Didaktik) und Medienproduktion gleichermaßen adressiert werden. Für diese Personenkreise, aber auch für die interessierte Öffentlichkeit, besteht nach wie vor ein offenes Kommunikationsangebot auf der Website www.mediale-stimmen.de (siehe die Unterseiten „Kontakt“ und „Fragebogen“).

Ergebnisse

Generelle Informationen zum Projekt „Kulturelle Implikationen medial konstruierter Stimmen“ sowie kommentierte Links und Lektüreempfehlungen finden sich auf der Website www.mediale-stimmen.de

Unter dem Titel „Mediale Stimmentwürfe – Perspectives of Media Voice Designs“ greift Band 7 der Schriftenreihe zur digitalen Gesellschaft NRW wesentliche Aspekte des Forschungsprojektes „Mediale Stimmen“ auf. Der Sammelband ist im kopaed-Verlag erschienen und kann als Gesamtpublikation hier kostenlos heruntergeladen werden.

Unter dem Titel „Smart Speaker & Co. – Über heutige Stimmtechnologien“ ist zum „Tag der Medienkompetenz 2020“ ein Podcast erschienen. Dieser reicht thematisch von der Entwicklung künstlicher Stimmen über problematische Vergeschlechtlichungen von Sprachassistenzsystemen bis hin zu möglichen Konsequenzen vokaler Deepfakes: www.tdm.nrw/ausstellung-mediale-stimmen/, www.mediale-stimmen.de/ueber/podcast/

Foto: pixabay.com

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